Ich übersetze Bücher
Ich übersetze Bücher und rette damit Menschen vor dem Vergessenwerden. Ich übersetze Bücher, und das ist etwas Besonderes. Schon früher hat meine Mutter gefragt: „Wo hat sie das bloß her?“ Doch ich glaube, zum Übersetzen von Büchern gehört Fleiß dazu, andere sagen: „Man nennt das Talent“. Ich weiß nicht, ob da etwas dran ist. Aber wenn ich Bücher übersetze, können andere lesen, was gewesen ist. Auf diese Weise wird alles, was einmal war, nicht umsonst gewesen sein. Und es bleibt erhalten.
Übersetzungsbeispiel für ein von mir frisch übersetztes Buch:
Auch später überlegte sie niemals, wie das, was sie sagte, sich auswirken könnte. Vielleicht ist die Kälte in mir aber auch eine Art Rückstand, ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit. Eine Zeit, in der ein eisiges Unbefriedigtsein herrschte, denn was konnte ich schon ausrichten, ich hätte anders sein sollen, klar. Doch was kann man an seinem Geschlecht ändern? Was kann man dagegen tun, wenn man zu dünn ist, aber die Mutter einfach nichts Essbares im Hause haben will? Was kann man dagegen tun, wenn man die Tochter eines Vaters ist, den sie sich anders erträumte? Hat einmal die Bestrafung angefangen, so wird sie niemals enden. Der Kampf bis zur Niederlage oder Vernichtung war in jenem Augenblick bereits besiegelt. Jene zurücksetzenden und durch mich hindurchgehenden Augen setzten bei mir eine Seelenbewegung im Gange, ein Auseinanderklaffen in mir. Ein Teil wollte am liebsten mit der Tür verschmelzen, ein anderer fliehen und ein dritter, noch verhängnisvollerer Anteil in mir wollte einfach nur akzeptiert werden.
Seit diesem ersten Augenblick des Maßnehmens und des Zurückweisens scheint es in mir verschiedene Gangarten zu geben, ja sogar unterschiedliche Richtungen, eine schon fast körperlich greifbare Disharmonie, das Nebeneinander unterschiedlicher Wünsche, unterschiedlicher Ziele und Gefühlsregungen. Wobei immer eine davon stets einen Verrat an den anderen beiden darstellt. Hätte man zwei jener Neigungen mit der dritten versöhnen können oder vielleicht davon trennen können, so wäre das feindliche Miteinander der Gefühle nicht so quälend gewesen. Doch so erforderte das Leben neben meiner Mutter – ich sage bewusst nicht das Leben mit meiner Mutter, es gab kein Miteinander – so erforderte das Leben neben meiner Mutter eine beständige, fast übermenschliche Anstrengung. Niemals geschah etwas, was vorhersehbar gewesen wäre, niemals schien sie meine Worte oder Beweggründe auch nur ansatzweise zu verstehen. Für sie existierten keine anderen Menschen, oder aber ich war die Einzige, der sie absprach, ein Mensch zu sein.
Ich übersetze Bücher. Manche enthalten Erzählungen. Und so erfahren wir mehr über das Leben mancher Menschen. Durch übersetzte Bücher bleiben alle, die in dem Buch vorkommen, am Leben. Denn ein Buch gibt den handelnden Personen Bedeutung. Als Übersetzerin messe ich dem eine große Bedeutung bei. Bücher sind zeitlos. Das Leben vergeht, hinterlässt keine Spur, Millionen Menschen verschwinden und niemand erinnert sich an sie. Doch Bücher sind die Rettung. Denn einzelne von diesen Millionen bleiben. Was könnte großartiger sein? Was könnte großartiger sein, als Bücher zu übersetzen? Schöne Frauen, wagemutige Männer, deretwegen man bereit wäre, alles zu geben, vielleicht sogar zu sterben – alle sie bleiben leben. Ewig - im Buch sozusagen. Und ich als Übersetzerin von Büchern (über-)trage ihr Leben über die Zeiten hinweg. Von ihren Körpern bleibt vielleicht nichts außer einem irgendwo vermodernden Leichnam. Doch in einem übersetzten Buch, da geht es gerechter zu. Außergewöhnliche Leben bleiben in den von mir übersetzten Büchern erhalten. Eines allein ist natürlich bedauerlich, dass ich selbst kein Schriftsteller bin. Aber deshalb möchte ich nicht grundlos Trübsal blasen. Ich übersetze Bücher, das ist mein Anteil an der Ewigkeit. Ich bin ein einfacher Mensch, doch virtuoser Übersetzer und habe eine gewisse Begabung für das Übersetzen von Büchern. Ich weiß nicht, ob in mir diese Begierde nach Unsterblichkeit keimt. Am Übersetzen von Büchern gefällt mir, dass so viele Gedanken aufgeworfen werden. Nur weil ich die Gedanken von Autoren möglichst getreu wiedergebe, heißt das nicht, dass ich niemals und über nichts nachgedacht hätte. Im Gegenteil, ich entwerfe neue Welten. Manchmal schreibe ich auch selbst Erzählungen, die relativ umfangreich sind. Doch würde ich sie niemals veröffentlichen, denn ich übersetze Bücher ganz großer Namen. Autoren, über die noch in 100 Jahren gesprochen wird. Und das erfüllt mein Herz mit Stolz. Ich übersetze gerne auch Ihre Bücher.