Heute wurden wir als Übersetzer für eine Zeitungsmeldung engagiert. Das ist ja mal ein Novum. Auf einmal bin ich Übersetzerin einer Zeitungsmeldung. Und diese Meldung kommt sogar aus der Region. Der Inhalt dieser Meldung ist sehr interessant, daher möchte ich ihn kurz zitieren: „Absolutes Highlight: Die kleine Gemeinde Giflitz, die eigentlich zu Edertal gehört, ist nun mit einem Schlag der Nabel der Welt, zumindest der archäologischen Welt. Denn, wie wir aus der heutigen Tageszeitung erfahren durften, wurde an einer Baustelle eine alte Siedlung gefunden. Alt ist noch untertrieben, denn es handelt sich um die Steinzeit, genauer gesagt um die Jungsteinzeit, und das bedeutet 7000 Jahre, 7500 Jahre vielleicht sogar, zurück.“ Im Übersetzungsalltag spielt die Übersetzung von Zeitungsmeldungen eine untergeordnete Rolle. Normalerweise übersetzen wir für Leute von nebenan. Leute, die eine Geburtsurkunde übersetzt brauchen oder etwa ein polizeiliches Führungszeugnis. Vielleicht sogar auch einen Führerschein. All das ist Übersetzungsroutine. Doch am heutigen Tag müssen wir nicht nur als Übersetzer, sondern auch als Dolmetscher tätig werden. Internationale Presse ist eingeladen. Und das in einem Dorf, das so winzig ist, dass verschiedene Dörfer zu einer einzigen Gemeinde zusammengefasst wurden. Der Übersetzungsalltag weicht nun einem großen Abenteuer. Wir dolmetschen das Interview mit einer Archäologin, mit einer Archäologin, die bereits Ausgrabungen in der Türkei und an anderen fernen Orten vorgenommen hat. „Was haben uns die lieben Ur-Ur-Ur-Ur-Großväter hinterlassen? Nun, laut der Zeitungsmeldung, eine Menge Umweltverwüstung. Sie waren also schon gehörige Verschwender. Und haben es fertig gebracht, innerhalb kürzester Zeit einen 2 m tiefen fruchtbaren Boden durch Erosion abtragen zu lassen. Ob die Ur-Ur-Großväter natürlich etwas gegen Erosion, gegen Wind und Wetter hätten tun können, wer weiß? Aber ob sie nun Raubbau an der Natur getrieben haben oder nicht, ist heute mehr als 7500 Jahre ohnehin nicht mehr wichtig. Dafür haben sie aber der Nachwelt, also uns, gemäß Archäologenkreisen schöne Keramiken hinterlassen. Und natürlich habe ich gleich mal nachgegoogelt, um welche Keramiken es sich handelt. Also, es sind Bandkeramiken. Bandkeramiken sind Keramiken, in die Striche eingeritzt wurden. Das macht natürlich sofort neugierig. Und ohne groß nachzudenken, stiefelte ich über die Wiese, in der schwimmbadgroße Löcher gähnten, zum Grabungsteam. Natürlich handelte es sich nicht um Schwimmbäder, sondern wie ich feststellen musste, um Schlammbäder. Für das Zeitungsinterview sollte ich näherkommen. So deutete ich die einladende Handbewegung. Schon nach wenigen Schritten wurden die Stiefel immer schwerer. Ich dagegen fühlte mich immer größer, denn ich lief auf einmal auf 10 cm hohen Plateaustiefeln. Fußabdrücke hinterließ ich keine. Ich nahm dagegen welche mit. Nach ein paar weiteren Schritten hatte ich elefantenfußgroße Klumpen an meinen Schuhsohlen. Inzwischen fühlte ich mich wie 80. Denn die Lehmklumpen an den Füßen hatten ein beachtliches Gewicht erreicht. „Gummistiefel“, so schoss es mir durch den Kopf, „wären eine wirklich gute Idee gewesen.“ Die Archäologin und ihre Helfer wussten das natürlich. Typischer Anfängerfehler. Und in der gesamten Drecksuhle sah man gelegentlich zerbrochene Scherben, Tonscherben, skalpiert durch die Baggerschaufel. Schade, die eine Schüssel bei Google-Images war wunderschön. Sofern an der Grabungsstelle etwas Ähnliches gelegen haben mochte, war es leider vom Bagger zerstört. Wo die anderen Scherben abgeblieben sind, das lässt nur ein 2 m hoher Erdwall nebenan vermuten. Irgendwo da drin in diesem etwas überdimensionierten Maulwurfshaufen könnten Fundstücke sein – theoretisch. Ich fühle mich inzwischen wie ein Archäologe, blicke gewichtig und sichte Plastikmüll. Definitiv nicht aus der Jungsteinzeit. Ich kann die Aufregung der Archäologen verstehen. Aber ich bin dennoch froh, dass ich diesen Beruf nicht ergriffen habe. Denn bei +2° und pfeifendem Wind werden die Gliedmaßen ganz schnell steif. Die Ausgrabungsleiterin reicht mir eine Tonscherbe. Unspektakulär mit rauer Oberfläche und weißen Steineinschlüssen. Ich bin dennoch begeistert. In meinen Händen halte ich 7500 Jahre Geschichte. Diese Scherben sind für mich so etwas wie Zeit zum Anfassen, Ewigkeit auf den Punkt gebracht. „Diese Fundamentgrube“, erklärte die Archäologin, die nicht genannt werden möchte, „ist eine Art Schnitt, eine Art Zäsur, ein Zeitschnitt.“ Schon hat das geschulte Auge ein weiteres Bruchstück entdeckt, dieses Mal mit Punkten und Linien. Die Begeisterung in ihrer Stimme greift auf mich über. „Nur 30 cm unter der Grasnarbe befindet sich etwas Faszinierendes“, erklärt sie überzeugt. „Etwas, das uns Menschen hinterlassen haben, die es schon längst nicht mehr gibt.“ Oder wohnt vielleicht ein heimlicher Nachfahre gleich nebenan in diesem Einfamilienhaus? Wenn die Archäologen wieder da sind, werde ich hoffentlich einen Zeitungsbericht mit Fotos erstellen können. „Die Grabungen, sofern sie finanziert werden, sollten bei besserem Wetter erfolgen“, ergänzt sie das Interview. Plötzlich merke ich die Kälte und denke bei mir: „Sicher werden sie sich freuen, wenn sie nicht mehr wie Wühlmäuse oder Schlamm-Catcher nach Scherben in der Pampe tauchen müssen.“ Die Archäologin hat die gefundenen Scherben gesäubert, beschriftet und in Beutel gesteckt. Was den Schaden durch den Bagger anbetrifft, kam sie und ihr Team leider zu spät. Wer hätte auch gedacht, dass hier um die Ecke ein Hauptort liegt, an dem Archäologie betrieben wird? Nach einem heißen Bad waren die Strapazen des Abenteuers mit der Archäologin wieder vergessen. In dem Zeitungsartikel wird wenig von der Faszination dieser wundervoll verzierten Tonscherben beschrieben. Es geht vielmehr um knallharte Zahlen und Fakten. 20.000 € soll der Bauherr berappen. Das geplante Seniorenheim soll dadurch teurer werden. Genauer gesagt um 20.000 €. Nun möchten vielleicht einige Spötter anmerken, dass es vielleicht einfacher sei, in ein Kaufhaus zu gehen und sich ein ganzes Set neuer Schüsseln zu besorgen. Denn für 20.000 € bekommt man eine ganze Menge Tischgeschirr. Noch dazu welches, das weniger kaputt ist und dessen Einzelteile nicht erst mit Spezialkleber von Restauratoren in mühevoller Kleinarbeit zusammenfügt werden müssen. Und so erhebt sich die Frage, worin besteht der Wert dieser Tonscherben? Diese Tonscherben haben vielleicht nur einen gewissen Wert und auch nur für Menschen, denen sie etwas bedeuten, etwa so, wie ein Gemälde. Für mich bedeuten diese Scherben nach dem Interview ein Hauch von Ewigkeit. Eine Brücke durch die Zeit.“ Neben den kleinen Übersetzungen, die uns von Privatleuten anvertraut werden, übersetzen wir vor allem Fachbücher. Als Fachbuchübersetzer sind wir in verschiedenen Themen sattelfest. Die Archäologie ist ein seltenes Thema für uns Übersetzer, und so haben wir uns rasch in die Materie eingearbeitet. Akribisch haben wir Fachbegriffe auswendig gelernt. Auch Sachbuchwissen half uns etwas weiter. Denn wir sind auch Sachbuchübersetzer, die sehr günstig übersetzen. Der heutige Tag war ein denkwürdiger Tag für uns als Übersetzer und Dolmetscher. Und dieser Tag, an dem es um die Übersetzung einer Zeitungsmeldung und das Dolmetschen eines Interviews ging, wird in die Presse eingehen. Und sogar mein Name wird genannt werden. Gleich neben dem Namen der Archäologin steht mein Name als Übersetzerin. Darauf bin ich mächtig stolz.
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