Wir übersetzten ein Theaterstück über einen Magier. Dieses Theaterstück war ein abendfüllendes Programm, eine Hommage an einen großen Zauberer. Dennoch wurden nur sehr wenige Textstellen übersetzt. Das Übersetzen eines Theaterstücks ist für uns etwas ganz besonderes. Denn wenn es in unserer Übersetzung auf die Bühne kommt, erscheint eine schier endlose Phalanx von Tricks. Dieses Theaterstück, das wir übersetzen durften, arbeitete entweder mit den schlechtesten oder den kompliziertesten Requisiten. Es ging ganz auf das Bedürfnis des Publikums ein, sich täuschen zu lassen. Und gerade dieses Gespür des Magiers für die Bedürfnisse des Publikums war einzigartig. Wenn man übersetzt, geht es meist um Handlungen, wie eine Erzählung oder einen Roman, aber in diesem Theaterstück ging es um eine Übersetzung einer gänzlich anderen Klasse. Es ging um Illusionen, um den Wunsch, „ganz schnell in die Geschichte einzugehen“. Es ging um einen Magier, der auf Welttournee gehen wollte. Es ging um die Beschreibung der Seitenkulissen. Es ging aber auch um Physik. Das Theaterstück nahm während der Übersetzung eine jähe Wendung: Statt den Augenblick des höchsten Triumphes auszukosten, musste der Magier feststellen, dass sein bester Trick misslungen war und er hilflos neben dem leblosen Körper seiner Assistentin zurückblieb. Dies alles war ein grauenhafter Abend. Das Theaterstück, dass wir übersetzten, hätte an dieser Stelle enden können, doch es gab ein halbes Dutzend Artikel über den Vorfall und eine Ermittlung. Der Beamte senkte die Spitze seines Füllfederhalters und notierte neben dem Wort „stirbt“ das Wort „ermordet?“. Es folgte zunächst der trockene Bericht eines Sachverständigen der Versicherung. An dieser Stelle hörten wir auf zu lesen, hörten wir auf zu übersetzen. Wir grübelten. Eine solche Übersetzung hatten wir noch nie vorgenommen. Natürlich, es war nicht das erste Theaterstück, dass wir übersetzten, das erst in der Fremdsprache vorlag und in unsere eigene Muttersprache übertragen wurde. Nein, ganz gewiss nicht. Doch was war geschehen? Aus einer scheinbar magischen Geschichte wurde ein Kriminalroman, und das Theaterstück, dass diese Handlung erzählte, schien für einen Moment zu stoppen – ganz so wie unsere Übersetzung. Diese Wendung hatten wir nicht erwartet. Als der Magier nach diesem Zwischenfall wieder zurückkehrte und zum ersten Mal die Bühne betrat, war seine Sicherheit aus ihm gewichen. Sicher, er präsentierte jede Minute einen neuen Trick. Das Theaterstück stellte immer neue Geschwindigkeitsrekorde auf. Beim Übersetzen fragten wir uns: „Wo soll dieses Theaterstück hinführen?“
Was unterscheidet einen guten von einem schlechten Übersetzer? Ein guter Übersetzer ist, gerade wenn es um ein Theaterstück geht, das sehr kunstvoll verfasst ist, sehr kreativ. Ein guter Übersetzer stellt sich auch den schwierigsten sprachlichen Herausforderungen. Die da wären? In einem Theaterstück, dass wir übersetzten, waren Textpassagen enthalten, die nur aus einsilbigen Wörtern bestehen durften. Im Dänischen war das ja noch ganz leicht. Aber das Deutsche enthält viel mehr mehrsilbige Wörter als das Dänische. Und daher mussten wir beim Übersetzen einen Ersatztext schreiben oder besser gesagt - kreieren. Denn mit Übersetzen hat das nichts mehr zu tun. Wir schufen also einen eigenen Text, der mehr oder weniger im Sinn passte, der aber der strengen Regel folgte: der Text darf nur aus einsilbigen Wörtern bestehen. Selbstverständlich geben wir Ihnen ein Beispiel für die übersetzte Passage aus dem Theaterstück. Es ist ein im wahrsten Sinne des Wortes „einsilbiger Dialog“:
Der da? Taugt der Koch was?
Und was soll das?
Jetzt nimmt er den Hut, gibt Mehl, ein Ei, Milch und Öl in den Hut.
Was soll das? Soll das der Trick sein?
Koch, du da, was soll das!
Der Koch dreht sich um, stülpt ihm den Hut auf den Kopf samt dem Brei.
Der Chef ist in Wut. Es ist nicht nur der Hut. Es fehlt ihm der Trick. Die Kunst.
„Das war auch kein Trick“, sagt der Koch keck. „Es sei dir zur Lehr‘ – trau, schau, wem.“
Was heißt das denn?
Schau, wem du traust.“
Hieran können Sie erkennen, dass Theaterstücke sehr kunstvoll verfasst sind. Es geht beim Übersetzen von Theaterstücken einerseits darum, die Vokale und die Vibranten, an der richtigen Stelle zu haben, andererseits können aber sehr avantgardistische Theaterstückschreiber Kunstmittel verwenden, die den Übersetzer eines Theaterstücks an die Grenzen seiner Schaffenskraft heranführen, an die Grenzen seiner Kreativität. Ein Theaterstück zu übersetzen, ist die Kunst, Menschen zu unterhalten, Menschen zu verblüffen. Denn wozu sollte man ein Theaterstück übersetzen, wenn dann Stühle leer bleiben? Also muss ein Theaterstück, wenn es übersetzt wird, richtig gut gemacht sein. Bei einem Theaterstück spüren wir als Übersetzer, wenn wir dann der Aufführung beiwohnen, ganz genau, ob das Publikum die Luft tief in sich aufnimmt, ob das Publikum jauchzt, ob das Publikum verhalten und höflich klatscht oder voller Begeisterung applaudiert. Ein Theaterstück zu übersetzen ist damit der direkte Spiegel deines Könnens. Und der Spiegel liegt im Antlitz jedes einzelnen Theaterbesuchers. Und gerade das macht den Reiz aus, ein Theaterstück zu übersetzen.
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