Übersetzung literarischer Texte
Als Übersetzerin literarischer Texte aus dem Französischen lerne ich Charaktere in Büchern kennen, die so beschrieben werden: „und wenn er sich noch nicht umgebracht hat, bleibt er leben; sein Mut reicht nicht länger als einen Vormittag“. Damit wird das Wechselhafte eines Charakters beschrieben, der sich leicht umgarnen lässt, der Freund von Feind nicht unterscheiden kann. Andere sagen über ihn: „das ist kein Dichter, das ist schon ein laufender Roman.“
Bei der Übersetzung literarischer Texte geht es um Verrat, um Interessen. Manche literarischen Texte, die ich übersetze, enthalten Charaktere, die lebendiger als historische Personen selbst sind. Es gibt faule Absprachen und Täuschungen. „Es war eines jener Augenduelle, bei denen der Blick des einen wie ein Skalpell die Seele des anderen durchdringt und seine Tugenden in den Blick zu legen sucht.“
Viele literarische Texte aus vergangenen Zeiten enthalten Wissen, dass wir heute als Städter nicht mehr haben. Bei einer Übersetzung eines solchen Textes aus dem Französischen erfuhr ich, dass Heu sich erhitzen und eine Scheune wie ein Streichholz abbrennen lassen kann, sofern es in fest verschlossenen Kisten gelagert wird und die Hitze nicht entweichen kann. Dies war mir neu. Anhand dieser Vergleiche wurde das Risiko deutlich, dass die verschiedenen Gesellschafter trugen, die gezwungenermaßen Partner bei einer bestimmten Erfindung waren, die die Papierherstellung revolutionierte.
Auch bei literarischen Texten und ihrer Übersetzung können Fachtermini Anwendung finden. So geht es um die Begriffe „eine Bütte von 500 Ries“, es geht um „Papierproben“, den Ersatz von Ausgangsstoffen durch billigere.
Viele große Erfindungen, die Meilensteine in der Fabrikation sind, die Dinge einfacher oder preiswerter oder leichter zugänglich machen, gehen in ganz normale literarische Texte ein. Doch müssen dann alle Experimente im Laboratorium, die Gerüche usw. aus der Retorte so beschrieben werden, als wäre man selbst als Übersetzerin anwesend. Alles muss die Sinne ansprechen. „Der Geruch der Kamille, Minze und der vielen destillierten Kräuter füllte nicht nur den Hof, sondern auch die bescheidene Wohnung.“
Viele Dinge, die ich bei der Übersetzung des literarischen Textes aus dem Französischen lernte, lassen sich heute noch genau auf dieselbe Art und Weise nachvollziehen, andere gehören vergangenen Zeiten an, wie die Beschreibung der Kleidung eines „echten Vertreters eines Provinzkrämers“. Jeder übersetzte literarische Text aus dem Französischen enthält natürlich sehr viele französische Namen, aber manchmal auch Begriffe, die in unsere Sprache eingegangen sind, zum Beispiel Melasse. Es ist so, dass die Nation, die in technischer oder wirtschaftlicher Hinsicht die Nase vorn hat, auch die Sprache und Begrifflichkeit ganz Europas und der Welt prägt. So ist das Zeitalter der Entdeckungen auch ein Zeitalter der Wortbildung. Viele literarische Texte enthalten im Französischen Vergleiche, die ins Deutsche übertragen werden müssen. So wird das Erscheinungsbild wie folgt beschrieben: „man denke sich ein Branntweinfässchen, auf das ein gut gelernter Maler ein dickes rotes Gesicht gemalt hat.“ Dieses Gesicht legte sich „in die feierlichsten und angenehmsten Falten“. Dabei werden Empfindungen beschrieben. Aber auch, dass dieser Mensch einen inneren Kampf austrägt, einen Kampf „zwischen Liebe und Vorteil – ohne zu einer Entscheidung zu kommen“.
Was wäre das Land der Liebe, also Frankreich, wenn in den literarischen Texten, die aus dem Französischen kommen, dieses Thema nicht in exquisiter Weise behandelt würde: „in ihrer Nähe war er linkisch und ungeschickt und hatte es ebenso eilig, von ihr fortzukommen, wie zu ihr zu gelangen; so bezwang er seine Leidenschaft, statt sie auszudrücken.“ Es wird im weiteren Text beschrieben, dass er sich immer wieder der Tür nähert, aber dann umgekehrt „von plötzlicher Furcht ergriffen“. Die Übersetzung literarischer Texte aus dem Französischen führt weiter aus: „Sie fühlte sich, ohne hochmütig zu werden, geschmeichelt, der Gegenstand eines so tiefen Respektes zu sein, der sich in den Blicken, Worten und dem ganzen Verhalten Davids verriet.“ In dem Text wird auf die Verwirrung eines jungen Mannes eingegangen: „Bisher wusste er nicht, mit welcher Kunst in dieser Welt das Ja gehandhabt wird, um ein Nein vorzubereiten, und ein Nein, um ein Ja herbeizuführen.“ Trotz der sehr hohen Erwartungen in eine glänzende Zukunft ohne Sorgen, spricht die Realität, die ich in diesem literarischen Werk übersetzte, eine andere Sprache: „dieses Schlafzimmer sprach von einem schicklich getragenen Elend.“ Und der französische Text geht sogar noch weiter: „Alles verriet niederdrückende Verhältnisse, aber auch die ruhige Bescheidenheit eines arbeitsamen Lebens“. Manchmal fühle ich mich gerührt, wenn ich solche Stellen in einem literarischen Text aus dem Französischen übersetze. Und während auf die unterschiedliche Herkunft zweier Freunde eingegangen wird und auf die sehr unterschiedlichen Möglichkeiten, die das Leben ihnen bieten kann, erfährt man folgendes: „überdies kannst du morgen etwas anderes übernehmen, die Rechte oder die Diplomatie studieren und in die Verwaltung eintreten. Kurz, du bist nicht abgestempelt und nicht eingeordnet. Benutze deine gesellschaftliche Jungfräulichkeit, marschiere allein und lege die Hand auf alle Ehren!“ Es geht um Erfolg, es geht um Mitempfinden.
Doch während der Übersetzung dieses literarischen Textes aus dem Französischen hat man immer das Gefühl, dass diese beiden Jugendlichen mit so unterschiedlicher Abstammung ständig am Rande des Abgrundes entlang tänzeln. Aus dem Text geht hervor: „wenn du strauchelt, soll mein Arm dich stützen, wenn ein Verrat dich bedroht, kannst du dich in unsere Herzen flüchten. Ihre Liebe wird unerschütterlich sein.“
Immer wieder setzen die Protagonisten das Vertrauen in ihre Mitmenschen und ebenso schnell zweifeln sie daran: „Protektion, Gunst, guter Wille der Leute können nachlassen, wenn sie sich auf zwei Köpfe verteilen, wir würden einander im Wege stehen.“
Die literarischen Texte aus dem Französischen enthalten natürlich auch Meilensteine französischer Geschichte. Sie enthalten aber auch die Aussprüche wichtiger Regenten. Wie beiläufig werden Sätze wie die folgenden eingestreut: „mehr oder weniger denken wir alle wie Ludwig XIV.: ‚Ich bin der Staat!‘“
In der Gesellschaft von damals galt mehr ein Nehmen denn ein Geben und wer nicht viel hatte, der gab. In meiner Übersetzung übertrug ich folgenden Passus: „wie die meisten jungen Menschen, verliehen diese beiden den Leuten von Welt ihre Intelligenz und ihre Fähigkeiten.“
Häufig werden die ahnungslosen Opfer nach und nach dazu gebracht, auf alle Rechte zu verzichten, die der ursprüngliche Vertrag auflistete. Als Übersetzerin derartiger literarischer Texte aus dem Französischen schreibt man Sätze nieder, die einer Kapitulation gleichen: „Jede Ordnung, die uns zur Ruhe verhilft, ist mir angenehm“. Beim Übersetzen aus dem Französischen wird mit liebevollem Blick auf die Neigung der Provinzler verwiesen, gerne zu übertreiben: „die öffentliche Meinung vergrößerte wie immer den Schatz des alten Séchard in einem Maße, dass in der ganzen Provinz von einer Million geredet wurde.“
Diese Übersetzung eines literarischen Textes aus dem Französischen beschreibt eine der größten Erfindungen in der Geschichte Frankreichs. Es ist die Erfindung David Séchards. Und sie ging „in die französische Industrie über, ganz wie die Nahrung in einen großen Körper. Dank der Einführung anderer Stoffe als Lumpen kann Frankreich das Papier billiger erzeugen als sonst ein europäisches Land.“ Allerdings wurde der Erfinder zwar nicht reich, war aber von seiner Frau geliebt, Vater zweier Kinder und erholte sich bei den Wissenschaften. Der eigentliche Held steht am Ende des literarischen Texts „für das glückliche, aber ein wenig träge, aber immer ausgefüllte Leben des Besitzers, der auf Mehrung seines Guts bedacht ist.“
Die Übersetzung literarischer Texte enthält viele Weisheiten. Zum Beispiel den wichtigen Codex des Ehrgeizes. Derjenige, der den gesamten faulen Handel eingerührt hat, Pétit-Claude wird nun als Nebenbuhler eines damals berühmten Staatsanwalts gehandelt. Von ihm heißt es: „Sein Ehrgeiz geht dahin, erster Präsident des königlichen Gerichtshofes von Poitiers zu werden.“
Als Übersetzerin hänge ich natürlich sehr an meinen Figuren auch an jenen, die tragisch scheitern oder an jenen, die kein Rückgrat besitzen. Aber auch ihr Schicksal interessiert. Und so endet die Übersetzung des literarischen Texts aus dem Französischen mit folgendem Satz: „Was Lucien betrifft, so gehört die Geschichte seiner Rückkehr nach Paris in die Szenen aus dem Pariser Leben.“